Bundeskartellamt untersagt E.ON Ruhrgas langfristige Gaslieferverträge mit Weiterverteilern
17.01.2006
Das Bundeskartellamt hat der E.ON Ruhrgas AG in einer förmlichen Untersagungsverfügung mitgeteilt, dass die Gaslieferverträge mit Weiterverteilern in ihrer Kombination von langfristigen Bezugsverpflichtungen und hohem Grad an tatsächlicher jährlicher Bedarfsdeckung gegen europäisches und deutsches Wettbewerbsrecht verstoßen. Das Amt hat E.ON Ruhrgas eine solche Praxis untersagt. Die Entscheidung ist sofort vollziehbar. Bundeskartellamtspräsident Ulf Böge: „Langfristige Vertragsbindungen von Weiterverteilern haben eine marktabschottende und damit preiserhöhende Wirkung, da sie den Markteintritt neuer Wettbewerber verhindern und dritten Anbietern Liefermöglichkeiten auf Jahre hin entziehen.“
Das Bundeskartellamt untersagt E.ON Ruhrgas bereits bestehende langfristige Vereinbarungen mit Weiterverteilern, die mehr als 80 % des tatsächlichen Gas-Vertriebsbedarfs abdecken. Diese Vereinbarungen sind spätestens mit Ablauf des laufenden Gaswirtschaftsjahrs zum 30. September 2006 abzustellen.
Bei dem Abschluss neuer Vereinbarungen mit Regional- und Ortsgasunternehmen sind solche Verträge untersagt, deren Laufzeit vier Jahre überschreitet und deren tatsächlicher Vertriebsbedarf mehr als 50 % beträgt oder deren Laufzeit bei einer Bedarfsdeckung von über 80 % über zwei Jahre hinausgeht. Ausgenommen von dieser Regelung sind - aus Praktikabilitätsgründen und unabhängig davon, dass auch diese Verträge gegen Art. 81, 82 EG verstoßen – nur solche Weiterverteiler, deren tatsächlicher Gesamtbedarf weniger als 200 GWh beträgt. Ferner muss die Risikoabdeckung bei Bezugsschwankungen im Falle der Belieferung durch mehrere Lieferanten mindestens der Höhe des Lieferanteils entsprechen. Um eine Umgehung dieser Grundsätze zu verhindern, sind mehrere Lieferverträge zwischen Lieferant und Kunde als ein Vertrag anzusehen. Auch stillschweigenden Verlängerungsklauseln sind untersagt.
Das Bundeskartellamt hat dieses Musterverfahren gegen E.ON Ruhrgas geführt, da es sich um das mit Abstand größte Gasversorgungsunternehmen in Deutschland handelt. Betroffen von der Verfügung sind nur Verträge zwischen E.ON Ruhrgas als Ferngasunternehmen und den als Weiterverteiler tätigen Regional- und Ortsgasgesellschaften, in der Regel Stadtwerken. Nicht betroffen sind die Bezugsverträge auf der Importstufe, d.h. zwischen E.ON Ruhrgas als Gasimportgesellschaft und den Erdgasproduzenten. Ebenfalls nicht betroffen sind die Verträge mit den großen industriellen Gasabnehmern oder solche, die mit dem Bau von Gaskraftwerken oder mit Investitionen zur Erschließung von Gasquellen zusammenhängen.
Nach dem Scheitern einer Konsenslösung Ende September und der Androhung eines Untersagungsverfahrens durch das Bundeskartellamt hatte E.ON Ruhrgas zwar eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung angeboten. Das Angebot ließ neben der Vertragsöffnung erst in 2008 vieles offen bzw. ungeregelt, wie die Stapelung von Verträgen, was Umgehungsmöglichkeiten eröffnete. Aus Sicht des Amtes reichte dieses Angebot nicht aus, um die Kartellrechtswidrigkeit der Gasverträge zu beseitigen. Vielmehr bestand die Gefahr, dass sich trotz der Selbstverpflichtung nichts an den marktabschottenden Auswirkungen der derzeitigen Vertragspraxis ändert. Zugleich zeigten diese Vorschläge, dass E.ON Ruhrgas das kartellrechtliche Verhalten nicht freiwillig abstellen werde.
E.ON Ruhrgas hat bereits angekündigt, dass das Unternehmen gerichtlich gegen die Entscheidung des Bundeskartellamts vorgehen werde. Kartellamtspräsident Böge: „Das letzte Wort in dem Streit um die Langfristverträge werden die Gerichte haben. Ich bin zuversichtlich, dass eine Entscheidung zeitnah fallen wird und die notwendige Rechtsklarheit für alle bringen wird. Die Beseitigung der Langfristbindungen noch im laufenden Gaswirtschaftsjahr sowie das Sicherstellen einer diskriminierungsfreien Durchleitung durch die Netzagenturen werden die Netze noch im laufenden Jahr stärker für den Wettbewerb öffnen. Unter sonst gleichen Bedingungen sollten die Gaspreise also fallen.“