Kartellbehörden prüfen Praxis der Netznutzungsverträgebeim Stromlieferantenwechsel („Doppelvertragsmodell“)

18.10.2001

Bundeskartellamt und Landeskartellbehörden haben sich darauf verständigt, verstärkt gegen wettbewerbsbehindernde Auswirkungen des sog. "Doppelvertragsmodell" vorzugehen.

Den Kartellbehörden werden immer wieder Fälle bekannt, in denen Netzbetreiber von ihren wechselwilligen Stromkunden vor Aufnahme der Belieferung den Abschluss eines "ruhenden" Netznutzungsvertrages verlangen, obwohl der Kunde einen All-inclusive-Vertrag (Strompreis einschließlich Netznutzungsgebühr) mit dem neuen Stromversorger hat. Da der Netzbetreiber fast immer identisch mit dem alten Lieferanten ist,  wird der Lieferantenwechsel durch diese Maßnahme gezielt erschwert.

Die Kartellbehörden sehen ein solches „Doppelvertragsmodell“ als kartellrechtswidrig an, wenn es vom Netzbetreiber zur zwingenden Voraussetzung eines Lieferantenwechsels gemacht wird, da der Netzbetreiber eine nach dem Lieferantenwechsel gerade nicht gewollte und nicht zu rechtfertigende Kundenbindung auf Kosten des Neulieferanten erzwingen würde.

Als unbedenklich hingegen werten es die Wettbewerbsbehörden, wenn ein Netznutzungs­vertrag vom Endkunden auf freiwilliger Basis abgeschlossen wird. Alternativ kann der Netzbetreiber alle Fragen der Netznutzung (z.B. das Recht zur Betretung des Grundstücks des Kunden) in seiner Vertragsbeziehung mit dem Stromlieferanten regeln.

Sollte bei sogenannten All-inclusive-Verträgen des neuen Lieferanten mit dem Endkunden ein Netznutzungsvertrag des Netzbetreibers mit dem Endkunden fortbestehen, und sei es als "ruhender" Vertrag, darf darin kein Netznutzungsentgelt festgelegt werden. Endet der Vertrag mit dem neuen Lieferanten, bestünde immer die Möglichkeit, dass der Kunde zum allgemeinen Tarif beliefert wird, der das Netznutzungsentgelt enthält.

Manche Netzbetreiber sind bereit, auf das Doppelvertragsmodell zu verzichten. Sie machen dies aber davon abhängig, dass die Netznutzung auf Basis der entfernungsabhängigen Verbändevereinbarung I abgerechnet wird. Vor dem Hintergrund der mittlerweile in Kraft getretenen Verbändevereinbarung II, die auf eine entfernungsunabhängige Netznutzung abstellt, wird dadurch nach Auffassung der Kartellbehörden der Wechsel behindert. Kartellamtspräsident Ulf Böge: " Bundeskartellamt und Landeskartellbehörden werden bei entsprechenden Beschwerden alle „Doppelvertragsmodelle“ auf wettbewerbsbehindernde Wirkungen oder sonstige kartellrechtswidrige Klauseln prüfen. Wir werden eine wettbewerblich unzulässige Behinderung bei der Durchleitung im Interesse der Verbraucher nicht tolerieren."

English version

  • Cartel authorities examine practice of network use contracts in connection with customers switching to new electricity suppliers (“double contract model”)