Bundeskartellamt mahnt Random House / Ullstein Heyne List ab
22.05.2003
Nach bisheriger Einschätzung des Bundeskartellamtes führt der Erwerb der Kontrolle über die Verlagsgruppe Ullstein Heyne List (u.a. die Buchverlage Econ, Ullstein, Heyne, List, Südwest) durch die zur Bertelsmann AG gehörende Verlagsgruppe Random House (u.a. die Buchverlage Goldmann, C. Bertelsmann, Blessing, btb, Omnibus) zur Entstehung einer marktbeherrschenden Stellung von Bertelsmann auf dem bundesweit abzugrenzenden Markt für deutschsprachige Taschenbücher der allgemeinen Informations- und Unterhaltungsliteratur. Den beteiligten Unternehmen wurde deshalb heute das Abmahnschreiben zugestellt.
Kartellamtspräsident Ulf Böge wies ausdrücklich darauf hin, dass die Abmahnung noch keine endgültige Entscheidung darstellt. Sie sei aber die Mitteilung an die Unternehmen, dass das Zusammenschlussvorhaben nach vorläufiger Beurteilung in der angemeldeten Form nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nicht genehmigungsfähig sei.
Die Ermittlungen des Bundeskartellamtes haben ergeben, dass - entgegen der Auffassung der Zusammenschlussbeteiligten - der Taschenbuchmarkt einen vom übrigen Buchmarkt abzugrenzenden Teilmarkt bildet. Taschenbücher unterscheiden sich durch ihre Größe,
ihre Ausstattung, ihre monatliche Erscheinungsweise in Reihen sowie durch ihren günstigen Preis insbesondere von den Hardcover-Ausgaben, aber auch von anderen Erscheinungsformen von Büchern. Überwiegend handelt es sich bei Taschenbüchern um die Zweit- bzw. Drittverwertung von bereits als Hardcover-Ausgabe erschienenen literarischen Werken. Taschenbücher haben somit ihren festen Platz in der Verwertungskette von Büchern und gleichzeitig die besondere Funktion, eine Vielzahl von Buchtiteln über Jahre hinweg im Buchhandel verfügbar zu machen. Alle diese aufgezeigten Merkmale zusammen genommen belegen, dass Taschenbücher aus Verbrauchersicht einen eigenständigen Bedarf decken.
Bertelsmann würde durch die geplante Übernahme die Vermutungsschwelle für Marktbeherrschung von einem Drittel Marktanteil deutlich überschreiten und wäre mit großem Abstand Marktführer auf dem bundesweiten Markt für deutschsprachige Taschenbücher. Das Unternehmen würde mit fast 40 % einen Marktanteil erlangen, der mehr als doppelt so hoch wäre wie der des nachfolgenden Wettbewerbers, der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck (u.a. die Buchverlage Rowohlt, Fischer, Kindler).
Die vom Bundeskartellamt ermittelten Marktanteile der Zusammenschlussbeteiligten werden laut Böge durch mehrere Studien anerkannter Marktforschungsunternehmen wie auch von befragten Wettbewerbern bestätigt.
Bertelsmann würde durch den Zusammenschluss der beiden Verlagsgruppen auf dem
relevanten Markt ferner Strategiemöglichkeiten erhalten, die es Wettbewerbern verwehren, den Marktanteilsvorsprung aufzuholen. Dem Unternehmen würde es vielmehr ermöglicht, seinen Marktanteilsvorsprung weiter auszubauen. Dies beruhe insbesondere auf dem
hervorgehobenen Zugang von Bertelsmann zu Autorenrechten, aber auch auf der starken Position gegenüber dem Buchhandel. Unter Ressourcengesichtspunkten könne der überragende Verhaltsspielraum von Bertelsmann ebenfalls nicht in Frage gestellt werden. Kein auf dem deutschen Taschenbuchmarkt vertretener Wettbewerber gehöre auch nur ansatzweise zu einem derart finanzstarken Konzern wie die Verlagsgruppe Random House, die zudem durch ihre Tätigkeit im gesamten Medienbereich zusätzliche Synergieeffekte erzielen könne.
Vor einer endgültigen Entscheidung haben die Unternehmen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 5. Juni 2003.