Entscheidung des OLG Düsseldorf schützt Kronzeugenregelung des Bundeskartellamts
27.08.2012
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am 22. August 2012 im Kaffeeröster-Verfahren entschieden, dass Dritte auch in Gerichtsverfahren keine Akteneinsicht in Kronzeugenanträge von Kartellanten erhalten. Kronzeugen können nun darauf vertrauen, dass ihre Anträge nicht nur vom Bundeskartellamt, sondern auch im Gerichtsverfahren nicht offenbart werden.
Andreas Mundt: „Zahlreiche schwerwiegende Kartelle kann das Bundeskartellamt nur mit Hilfe von Kronzeugen aufdecken und verfolgen. Die Entscheidung schützt die Attraktivität der Kronzeugenregelung des Bundeskartellamts, welche für eine effektive Kartellverfolgung elementar ist.“
Auf der Basis mehrerer Kronzeugenanträge hatte das Bundeskartellamt im Jahr 2009 ein Kaffeeröster-Kartell aufgedeckt und gegen die Kartellanten Geldbußen in Höhe von rund 160 Mio. Euro verhängt (vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 21.12.2009). Da zwei Kaffeeröster gegen die Bußgeldbescheide Einspruch erhoben, hatte das Bundeskartellamt das Verfahren an das Oberlandesgericht Düsseldorf abgegeben. Danach stellten mehrere Einzelhandelsunternehmen als Abnehmer des Kartells Anträge auf Einsicht in die Verfahrensakten einschließlich der Kronzeugenanträge. Das Oberlandesgericht entschied nun, dass das Vertrauen der Kronzeugen auf eine vertrauliche Behandlung der von ihnen eingereichten Anträge einschließlich dazu eingereichter Unterlagen das Offenbarungsinteresse der Antragsteller überwiegt. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist die Offenlegung der Bußgeldbescheide des Bundeskartellamts in der Regel ausreichend, um das berechtigte Informationsinteresse der durch ein Kartell geschädigten Abnehmer zu befriedigen.
Hintergrund:
Die Möglichkeit der Akteneinsicht in Kronzeugenanträge könnte Kartellanten von einer Zusammenarbeit mit dem Bundeskartellamt abschrecken. Deshalb hatte auch schon der Europäische Gerichtshof in Sachen Pfleiderer entschieden, dass bei einer Akteneinsicht die Effektivität der Kartellverfolgung durch eine wirksame Kronzeugenregelung zu berücksichtigen ist (vgl. Pressemitteilung des Bundeskartellamtes vom 30.01.2012). Die deutsche Rechtsordnung verfügt über ein funktionierendes System ziviler Schadensersatzklagen, dessen Effektivität in den vergangenen Jahren durch gesetzgeberische Maßnahmen und richtungsweisende Entscheidungen der Gerichte weiter gestärkt wurde. Zentral ist insoweit, dass der Nachweis des Kartellverstoßes durch die Kartellbehörden für den Zivilrichter im Schadensersatzprozess bindend ist. Private Schadensersatzklagen wegen Kartellverstößen sind eine wichtige Ergänzung der behördlichen Kartellverfolgung. Dabei sind die Opfer von Kartellen vielfach auf die Aufdeckung durch die Kartellbehörden angewiesen. Wenn die Wirksamkeit der Bonusregelung durch die Gewährung von Akteneinsicht eingeschränkt würde, würden deutlich weniger Kartelle aufgedeckt. Das behindert nicht nur die Bestrafung der Täter, sondern auch die Entschädigung der Opfer.