Bundeskartellamt untersagt Übernahme von Kaiser’s Tengelmann durch EDEKA
01.04.2015
Das Bundeskartellamt hat den Erwerb von rund 450 Kaiser’s Tengelmann Filialen durch EDEKA untersagt. Das Vorhaben hätte nach Auffassung des Amtes zu einer erheblichen Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen auf zahlreichen ohnehin stark konzentrierten regionalen Märkten und Stadtbezirken im Großraum Berlin, in München und Oberbayern sowie in Nordrhein-Westfalen geführt. Mit der Übernahme von Kaiser’s Tengelmann wären die Auswahl- und Ausweichmöglichkeiten der Verbraucher vor Ort stark eingeschränkt und aufgrund der Beseitigung einer bedeutenden Wettbewerbskraft für die verbliebenen Wettbewerber zukünftig entsprechende Preiserhöhungsspielräume eröffnet worden.
Auch im Bereich der Beschaffung hätte das Vorhaben wettbewerbliche Probleme verursacht. Den Herstellern von Markenartikeln würde nach einer Fusion ein bedeutsamer unabhängiger Abnehmer nicht mehr zur Verfügung stehen. Die bei der Beschaffung insbesondere von Markenartikeln ohne-hin schon große Verhandlungsmacht der Spitzengruppe bestehend aus EDEKA, REWE und der Schwarz-Gruppe mit Kaufland und Lidl gegenüber ihren Wettbewerbern wäre weiter gestiegen.
Die nach der Abmahnung des Vorhabens (vgl. Pressemitteilung vom 17.02.2015) von den Beteiligten vorgelegten Kompromissvorschläge (sogenannte Zusagen) waren nicht geeignet, die vom Bundeskartellamt festgestellten wettbewerblichen Probleme auf den betroffenen Märkten zu lösen.
Bei der Bewertung des Vorhabens hat das Bundeskartellamt alle Vertriebsschienen des Lebensmitteleinzelhandels vom Vollsortimenter wie REWE und EDEKA bis hin zum Hard-Discounter wie Aldi berücksichtigt. Das Bundeskartellamt hat die Märkte entsprechend des Einkaufsverhaltens der Verbraucher lokal oder regional abgegrenzt. In den großen Städten wurde auch die konkrete Wettbewerbssituation in Stadtbezirken und Ortsteilen ermittelt. Kaiser’s Tengelmann ist danach in den betroffenen regionalen Markträumen fast durchweg mit Marktanteilen zwischen 10 und knapp 30 % eine wichtige Wettbewerbskraft und verfügt über ein – für den potenziellen Erwerber – wertvolles Standortnetz. Die umfangreichen Ermittlungen haben gezeigt, dass die geplante Übernahme zu einer erheblichen Verringerung des Wettbewerbsdrucks in zahlreichen Markträumen führen würde. Teilweise wäre die bereits mit Abstand führende Marktposition von Edeka weiter verstärkt worden. Aber auch in lokalen und regionalen Markträumen, in denen nicht EDEKA, sondern der enge Wettbewerber REWE marktführend ist, war aufgrund der aus Sicht des Verbrauchers sehr ähnlichen Vertriebskonzepte und der entsprechend ausgeprägten wettbewerblichen Nähe der Anbieter von einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs auszugehen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „In diesem Fall kommt es vor allem auf die Marktverhältnisse vor Ort an. Der Verweis auf den relativ geringen bundesweiten Marktanteil von Kaiser’s Tengelmann geht an der Sache vorbei. Niemand fährt zum Einkaufen quer durch Deutschland oder auch nur quer durch eine Großstadt. In vielen Stadtteilen der Metropolen Berlin, München und Düsseldorf sowie einigen Markträumen in Oberbayern und NRW ist Kaiser’s Tengelmann der stärkste Wettbewerber von EDEKA und REWE, sodass dessen Ausscheiden die Auswahlmöglichkeiten der Verbraucher vor Ort erheblich reduzieren würde. Selbstverständlich gehören zu einer solchen Marktbetrachtung auch die Discounter wie Aldi oder Lidl, die allerdings für die Verbraucher nur eingeschränkt eine Alternative zu den Vollsortimentern darstellen, einfach weil das Warenangebot unterschiedlich ist.“
Bereits in der Abmahnung hatte das Bundeskartellamt gegenüber EDEKA und Tengelmann deutlich gemacht, dass von den 450 Standorten von Kaiser’s Tengelmann rund 100 Standorte nicht von einer Untersagung erfasst wären und daher von EDEKA hätten übernommen werden können. Aufgrund der darauf folgenden Stellungnahme von EDEKA und Tengelmann im Rahmen des rechtlichen Gehörs hat das Bundeskartellamt zugunsten der Unternehmen u.a. zusätzlich Biomarkt-Filialen in seine Marktbetrachtung einbezogen. Damit wäre eine Übernahme von weiteren rund 70 Standorten und damit von insgesamt ca. einem Drittel der Kaiser´s-Standorte durch EDEKA möglich gewesen.
EDEKA und Tengelmann haben ihrerseits in zwei Schritten lediglich den Verzicht auf insgesamt gut 100 Standorte in Berlin und Bayern angeboten, so dass EDEKA insgesamt etwa 350 Standorte erworben hätte. Bei der Auswahl der Standorte haben die Unternehmen die Maßstäbe und Voraussetzungen für ein tragfähiges und wettbewerbskonformes Zusagenangebot nicht berücksichtigt. Die Zusammenschlussbeteiligten hatten vor allem die Veräußerung von solchen Standorten an Dritte angeboten, die den kritischen Marktanteilszuwachs von EDEKA kaum reduziert hätten oder die EDEKA ohne weiteres hätte übernehmen können, weil in den betroffenen lokalen Märkten überhaupt keine Gefahr für den Wettbewerb durch die Fusion bestand. Auch einzelne bereits geschlossene bzw. kurz vor der Schließung stehende Standorte wurden im Rahmen der Zusagen zum Verkauf an Dritte angeboten. Dies war nicht ausreichend, um die wettbewerblichen Probleme des Vorhabens zu beseitigen.
Andreas Mundt: „Wir haben den Unternehmen im laufenden Verfahren frühzeitig Lösungsmöglichkeiten für die offensichtlichen wettbewerblichen Probleme aufgezeigt. Die Freigabe des Vorhabens wäre möglich gewesen, wenn der überwiegende Teil der drei regionalen Vertriebsnetze von Kaiser’s Tengelmann – jedenfalls in den kritischen regionalen Absatzmärkten – auf jeweils einen oder zwei unabhängige Wettbewerber übergegangen wäre, die in die Wettbewerbsposition von Kaiser‘ Tengelmann hätten eintreten können. Dies hätte auch die Probleme auf den Beschaffungsmärkten gelöst. Wir hatten eine ganze Reihe konkreter Hinweise auf alternative Interessenten für Teilnetze, die im Übrigen auch an der Übernahme der Beschäftigten interessiert gewesen wären. EDEKA und Tengelmann waren jedoch nicht bereit, auf die vom Bundeskartellamt formulierten Bedingungen für eine Freigabe einzugehen, sodass das Vorhaben insgesamt zu untersagen war.“
Die Untersagung ist noch nicht rechtskräftig. Die Beteiligten haben die Möglichkeit, innerhalb eines Monats beim Oberlandesgericht Düsseldorf Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen.