Erster Baustein für Gaia-X: Bundeskartellamt gibt grünes Licht für Aufbau eines Datennetzwerkes für die Automobilbranche (Catena-X)

24.05.2022

Das Bundeskartellamt hat keine Einwände gegen den geplanten Start der Kooperation „Catena-X“, die das Ziel verfolgt, ein Datennetzwerk für die Zusammenarbeit der Automobilbranche zu schaffen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Catena-X ist ein erster großer Baustein der Initiative Gaia-X zur Schaffung einer wettbewerbsfähigen Dateninfrastruktur in Europa. In dem Projekt wollen mehr als 80 Unternehmen vorwiegend aus der deutschen Automobil- und IT-Branche zusammenarbeiten. Erstmals soll ein Datennetzwerk mit entsprechenden Anwendungen entlang der gesamten automobilen Wertschöpfungskette entstehen. Das Kartellrecht steht Projekten dieser Art nicht im Weg. Wir stellen aber sicher, dass bestimmte Wettbewerbsprinzipien eingehalten werden. Besonderer Gegenstand unserer Prüfung waren u.a. das Setzen von bestimmten Standards und die Zusammenarbeit bei Forschung und Entwicklung, für die wir grünes Licht geben konnten. Richtig aufgesetzt sind Initiativen wie diese vielversprechend, weil sie in der Zukunft zu einer Wettbewerbsbelebung bei Cloud-Services führen könnten, was wir sehr begrüßen würden.“

Catena-X soll zum einen die Entwicklung einheitlicher Standards für die Datenweitergabe vorantreiben. Daten, die bislang bei den Unternehmen isoliert vorliegen (sog. Insellösungen), sollen miteinander vernetzt werden, um sie in der Wertschöpfungskette bestmöglich zu nutzen. Zum anderen umfasst die Kooperation gemeinsame Forschung und Entwicklung mit dem Ziel, konkrete Anwendungen auf Basis des neuen Datennetzwerkes einzusetzen. Hierzu zählen beispielsweise Projekte, die die Rückverfolgbarkeit von Komponenten erleichtern oder die Bestimmung des CO2-Abdrucks von Komponenten entlang der Wertschöpfungskette ermöglichen. Weitere Projekte widmen sich der Kreislaufwirtschaft oder der Verbesserung des Qualitätsmanagements.

Im Rahmen der Prüfung hat das Bundeskartellamt die Kooperation sowohl hinsichtlich der Vereinbarung zum Setzen von Standards, als auch hinsichtlich der Zusammenarbeit zu Zwecken der Forschung und Entwicklung geprüft. Eine Forschungs- und Entwicklungskooperation, die keine gemeinsame Verwertung der Ergebnisse zum Ziel hat, hat in der Regel nur dann wettbewerbsbeschränkende Auswirkungen, wenn sich der Innovationswettbewerb spürbar verringert. Dafür gibt es nach jetzigem Stand aber keine Anzeichen, zumal die zu entwickelnden Standards interoperabel gestaltet werden sollen, so dass Unternehmen der Automobilindustrie eigene Cloud- und Software-Lösungen weiterhin nutzen und entwickeln können. Im Übrigen sind zur wettbewerblichen Bewertung der Zusammenarbeit vor allem folgende Prinzipien wichtig:

(1.) Der Austausch wettbewerblich sensibler Informationen muss auf das für die Kooperation zwingend erforderliche Maß beschränkt bleiben.

(2.) Die Standards müssen in einem offenen Verfahren, transparent und diskriminierungsfrei entwickelt werden. Das heißt, dass insbesondere Dritten eine Mitwirkung am Verfahren der Standardsetzung ermöglicht wird, die Einhaltung des Standards nicht verpflichtend ist und Zugang zu dem Standard zu fairen, zumutbaren und diskriminierungsfreien Bedingungen erfolgt.

(3.) Die innerhalb des Projektes geplanten einzelnen Entwicklungskooperationen dürfen nicht zu Marktabschottungen oder sonstigen Wettbewerbsverzerrungen führen, auch mit Blick auf den Innovationswettbewerb.

Das grüne Licht für den Start von Catena-X beinhaltet keine abschließende Beurteilung aller Teilprojekte der Kooperation. Diese müssen zunächst weiter konkretisiert werden. Vor diesem Hintergrund wird das Bundeskartellamt die Weiterentwicklung der Kooperation und insbesondere die Fortführung einzelner Teilprojekte auf der Grundlage der kartellrechtlichen Selbsteinschätzung der Unternehmen weiter im Blick behalten.

Hintergrund: Catena-X als Anwendungsfall von Gaia-X

Catena-X ist ein wichtiger Meilenstein im Rahmen der Initiative Gaia-X, die 2019 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (jetzt Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) angestoßen wurde. Das Ziel ist die Schaffung einer europäische Dateninfrastruktur durch die Entwicklung von Schnittstellen und Standards zur Vernetzung unterschiedlicher, branchenübergreifender Cloud-Dienste. Dies soll die Abhängigkeit von amerikanischen und chinesischen IT-Anbietern reduzieren.

In der automobilen Wertschöpfungskette arbeiten verschiedene Akteure – etwa Automobilzulieferer und Hersteller – seit einigen Jahren im Rahmen von Industrie 4.0 an der Digitalisierung ihrer Fertigung, z. B. an einer globalen Logistikplattform oder KI-Algorithmen für die Fertigungsoptimierung. Die Hersteller setzen hierbei auf etablierte Cloud-Anbieter (z.B. Lösungen von Amazon, Google oder Microsoft), die ihnen hierfür individuelle digitale Lösungen anbieten. Die Folge sind in sich geschlossene Datenplattformen („Insellösungen“), die dazu führen, dass es bei den Herstellern unterschiedliche Schnittstellen gibt, an die sich die jeweiligen Zulieferer anpassen müssen. Catena-X soll u.a. dafür sorgen, dass diese unterschiedlichen Schnittstellen beseitigt werden. Hierin partizipieren Kfz-Hersteller, Lieferanten, Händlerverbände und Ausstatter, Anbieter von Anwendungen, Plattformen und Infrastruktur.

English Version:

  • First component for Gaia-X: Bundeskartellamt gives green light for establishing data network for automotive industry (Catena-X)