Bundeskartellamt veröffentlicht Diskussionsbericht zum Bereich der nicht-suchgebundenen Online-Werbung

29.08.2022

Im Rahmen seiner Sektoruntersuchung zum Bereich der nicht-suchgebundenen Online-Werbung hat das Bundeskartellamt heute einen Diskussionsbericht veröffentlicht.

Online-Werbung ist kein einheitliches Produkt. In der kartellrechtlichen Praxis der letzten Jahre hat sich gezeigt, dass sich in den verschiedenen Teilbereichen jeweils unterschiedliche wettbewerbliche Fragen stellen. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich auf die Marktverhältnisse und Funktionsmechanismen im Bereich der nicht-suchgebundenen Online-Werbung und hier vor allem auf die verschiedenen, im Hintergrund wirkenden technischen Dienste (sog. AdTech). Nicht Gegenstand der Untersuchung ist hingegen Werbung, die in Reaktion auf eine Anfrage an eine Suchmaschine erscheint (suchgebundene Werbung), da sich hier andere wettbewerbliche Fragen rund um die große Marktbedeutung der Google-Suchmaschine stellen.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Online-Werbung hat über die letzten 25 Jahre einen beeindruckenden Aufstieg erlebt – aus dem Nichts zu einer Milliardenindustrie. In allen Bereichen der Online-Werbung stellen sich vor allem aufgrund der herausragenden Bedeutung der großen Internetplattformen wichtige wettbewerbliche Fragen. Neben der suchgebundenen Online-Werbung und den eigenen Werbeflächenangeboten von beispielsweise Meta oder Google, hat die sonstige nicht-suchgebundene Online-Werbung ebenfalls eine immense wirtschaftliche Bedeutung. Es ist nicht zuletzt diese Werbung, die eine Vielzahl von Medienangeboten und Dienstleistungen jenseits der Angebote der großen Digitalkonzerne mitfinanziert. Dahinter steckt ein hochkomplexes, für viele recht intransparentes System des automatisierten Handels mit Online-Werbeplätzen. Mit unserer Untersuchung wollen wir mehr Licht in diese Black-Box bringen. Google hat auch in diesem technischen Teilbereich der Online-Werbung auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette eine starke Marktposition. Es stellen sich nicht zuletzt deshalb zahlreiche wettbewerbliche Fragen.“

Nach aktuellem Stand der Schätzungen hat der gesamte Bereich der Online-Werbung in Deutschland ein Volumen von zehn bis elf Mrd. Euro erreicht. Davon entfallen vier bis fünf Mrd. Euro auf suchgebundene Online-Werbung. Umsätze in derselben Größenordnung entfallen auf sonstige Werbeflächen, wie Werbebanner aller Art und Video-Werbung, die nicht suchgebunden sind. Darüber hinaus werden mit Online-Kleinanzeigen und Rubrikenanzeigen – im weiteren Sinne auch eine Form von Online-Werbung – gut eine Mrd. Euro umgesetzt.

AdTech, gewissermaßen der „Maschinenraum“ der nicht-suchgebundenen Online-Werbung, ermöglicht den heutigen, hochgradig komplexen und stark automatisierten Handel mit den Werbeflächen und die daran anschließende, ebenso automatisierte Ausspielung und Messung der Werbung überhaupt erst. Im Zentrum steht hierbei ein Geflecht verschiedener Käufer- und Verkäufer-seitiger Dienste, die sich rund um virtuelle Marktplätze für Werbeflächen (AdExchanges) gruppieren. Dieses wird insgesamt auch als Programmatic Advertising (PA) bezeichnet. Daneben existieren verschiedene integrierte Systeme, die vor allem auch von großen Werbeflächen-Anbietern dafür verwendet werden, die Vermarktung ihrer Werbeplätze ein-schließlich aller dafür notwendigen technischen Leistungen selbst vorzunehmen. Sie werden teilweise jedoch auch Dritten für die Vermarktung ihrer Werbeflächen an-geboten und weisen Berührungspunkte zum System des PA auf.

Im Rahmen der Untersuchung hat sich die Annahme bestätigt, dass einzelne Marktteilnehmer – und hier insbesondere Google – erheblichen Einfluss auf das Gesamtsystem des PA haben. Google ist auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette und bei praktisch allen relevanten Dienstleistungen vertreten und hat dabei in den meisten Fällen eine sehr starke Marktposition inne. Das Unternehmen kontrolliert wichtige Teile der nutzerseitigen Software-Infrastruktur wie den Browser Chrome und das mobile Betriebssystem Android, die letztlich darüber mitbestimmen, welche technischen Möglichkeiten für die Realisierung nicht- suchgebundener Online-Werbung zur Verfügung stehen. Im Zusammenspiel mit dem Befund, dass die Funktionsweise des Systems im Detail von außen nur schwer nachvollziehbar ist, kommt Google damit eine erhebliche Regelsetzungsmacht zu.

Die mangelnde Transparenz des Systems spielt in mehrfacher Hinsicht eine Rolle. Das gilt sowohl für die Publisher, die Werbeplätze über das System vermarkten, als auch für Werbetreibende, die Werbeplätze einkaufen. Dies gilt darüber hinaus aber auch für viele kleinere Anbieter einzelner technischer Dienstleistungen innerhalb des PA. Das System wird von vielen Marktteilnehmern als „Black Box“ bezeichnet, in der viele Parameter, die für den Markterfolg relevant sind, unbekannt seien.

Auch die Nutzerinnen und Nutzer als Datensubjekte und Werbeadressaten sind überwiegend nicht in der Lage, den Umfang und die möglichen Konsequenzen der Datensammlung zu überblicken, die letztlich die derzeit wichtigste Grundlage für die nicht-suchgebundene Online-Werbung ist. Die aus den aktuellen Datenverarbeitungspraktiken resultierenden Gefahren haben dazu beigetragen, dass seit einigen Jahren verstärkt eine rechtspolitische Diskussion darüber geführt wird, die Datenerhebung und -verwendung für Werbezwecke einzuschränken. Der Bericht beleuchtet daher, welche Konsequenzen solche Maßnahmen aus wettbewerblicher Sicht haben können und wie mit diesen umgegangen werden könnte.

Andreas Mundt: „Das Kartellrecht setzt traditionell bei einzelnen Verhaltensweisen von Unternehmen an, um Wettbewerbsprobleme zu lösen. Mit dem § 19a GWB in Deutschland und dem DMA auf europäischer Ebene haben die Wettbewerbsbehörden neue vielversprechende Instrumente an die Hand bekommen, die wir gut nutzen sollten. Für den von uns untersuchten Bereich der Online-Werbung müssen wir künftig vielleicht auch über grundsätzlichere Ansätze nachdenken. Google hat aufgrund seiner herausragenden Position in Verbindung mit der technisch bedingten Undurch-schaubarkeit des Systems ungewöhnlich viel Spielraum, den Wettbewerbsprozess zu seinen Gunsten zu gestalten.

Das Bundeskartellamt ermöglicht es Marktteilnehmern und interessierten Kreisen zum jetzt veröffentlichten Diskussionsbericht bis zum 28. Oktober 2022 Stellung zu nehmen.

Der Diskussionsbericht sowie eine Zusammenfassung des Diskussionsberichts sind auf der Website des Bundeskartellamtes abrufbar.

English Version:

  • Bundeskartellamt publishes report on non-search online advertising for public discussion