Geldbußen und Haftungsbeträge wegen Absprachen im Industriebau
14.12.2023
Das Bundeskartellamt hat Geldbußen und Haftungsbeträge gegen insgesamt 14 Bauunternehmen und zwölf verantwortliche Personen wegen verbotener Submissionsabsprachen bei der Vergabe von Industriebauaufträgen in einer Gesamthöhe von rund 4,8 Mio. Euro verhängt.
Die Submissionsabsprachen betrafen 42 Aufträge der Hüttenwerke Krupp Mannesmann GmbH (nachfolgend: HKM) mit einem Gesamtvolumen von 24 Mio. Euro aus dem Zeitraum von August 2011 bis November 2016 (Verfahrenskomplex HKM), 122 Aufträge der ThyssenKrupp Steel Europe AG (nachfolgend: TK) mit einem Gesamtvolumen von 32 Mio. Euro aus dem Zeitraum von März 2007 bis Februar 2017 (Verfahrenskomplex TK) und 14 Aufträge der Deutsche Edelstahlwerke GmbH (nachfolgend: DEW) mit einem Gesamtvolumen von vier Mio. Euro aus dem Zeitraum von 2014 bis Ende 2016 (Verfahrenskomplex DEW).
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Unternehmen unterhielten über Jahre ein System des gegenseitigen Zuschanzens von Bauaufträgen zu Lasten der Auftraggeber. Das Muster der Absprachen war in allen drei Verfahrenskomplexen dasselbe: Die an der jeweiligen Absprache beteiligten Unternehmen einigten sich zunächst in Gesprächen vor Ort oder telefonisch darauf, wer den Auftrag gewinnen sollte. Das betreffende Unternehmen kalkulierte danach den Auftrag, zunächst für sich selbst. Anschließend verschickte es die Kalkulationen an die anderen an der Absprache beteiligten Unternehmen, damit diese zum Schutz höhere Scheinangebote abgeben konnten.
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Adressaten der Geldbußen waren die Unternehmen:
- BeMo Tunnelling GmbH, Innsbruck (Österreich), nachfolgend: BeMo,
- Echterhoff-Holland Hoch- und Tiefbau GmbH, Bochum, nachfolgend: Echterhoff,
- Eiffage Infra-West GmbH, Borken (bis zum 15. Juni 2020 als Heinrich Walter Bau GmbH firmierend), nachfolgend: Eiffage,
- Fenne Baugesellschaft mbH, Gladbeck, nachfolgend: Fenne,
- Gehrken Straßen- und Tiefbau GmbH & Co. KG, Dortmund, nachfolgend: Gehrken,
- IH Inpako GmbH, Teutschenthal (bis zum 23. Oktober 2019 als WMB Wilhelm Maas Baubetriebe GmbH firmierend), nachfolgend: Maas,
- IHT Ingenieur-, Hoch- und Tiefbau GmbH, Bochum, nachfolgend: IHT,
- Karger Straßen- und Tiefbau GmbH, Witten, nachfolgend: Karger,
- Korte GmbH + Co. KG, Witten, nachfolgend: Korte,
- Mainka Bau GmbH & Co. KG, Lingen (bis zum 9. Januar 2020 als Bauunternehmung August Mainka GmbH & Co. firmierend), nachfolgend: Mainka,
- Möllmann Straßen- und Ingenieurbau GmbH + Co KG, Dortmund (vor dem 9. Dezember 2016 als Möllmann GmbH + Co Straßen-Tiefbau KG und danach bis zum 3. Mai 2017 als Kramer Straßen- und Ingenieurbau GmbH + Co KG firmierend), nachfolgend: Möllmann,
- Rostek & Pesch GmbH & Co. KG, Krefeld, nachfolgend: Rostek & Pesch,
- T&M Baugesellschaft mbH, Wesel (bis zum 6. Januar 2011 als PE-LA Baugesellschaft mbH firmierend), nachfolgend: T&M.
Ausgelöst wurde das Verfahren durch einen Kronzeugenantrag der Hermann Kassens Bauunternehmung GmbH, Papenburg. In Anwendung der Vorschriften zur sogenannten Kronzeugenregelung wurde das Verfahren gegen das Unternehmen eingestellt.
Außerdem wurden Geldbußen und Haftungsbeträge gegen die AKM Verwaltungsgesellschaft mbH, Moers, nachfolgend: AKM, festgesetzt. AKM war bis zum 10. Juli 2019 die Muttergesellschaft der Kartellbeteiligten Maas. Während des Ordnungswidrigkeitenverfahrens stellte Maas ihre Geschäftstätigkeit ein; anschließend wurden die Unternehmensanteile für einen Kaufpreis von einem Euro auf eine externe Gesellschaft übertragen, die nicht zur Unternehmensgruppe gehörte, der Maas bis dahin angehört hatte. Das Bundeskartellamt nahm dies zum Anlass, erstmals von den 2017 eingeführten Befugnissen zur Verhängung von Unternehmensgeldbußen und Haftungsbeträgen Gebrauch zu machen. Die angewendeten Vorschriften ermöglichen es in Fällen von Unternehmensumstrukturierungen, die nach Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle am 9. Juni 2017 erfolgt sind, Geldbußen oder Haftungsbeträge gegen die Muttergesellschaften festzusetzen. War der Kartellverstoß bei Inkrafttreten der 9. GWB-Novelle bereits beendet, kommen nur Haftungsbeträge infrage. Mit Haftungsbeträgen ist – anders als mit Geldbußen – kein ordnungswidrigkeitenrechtlicher Vorwurf verbunden. Gegen AKM wurden in allen drei Verfahrenskomplexen – je nachdem, ob die konkreten Absprachen vor Inkrafttreten der GWB-Novelle von 2017 beendet waren oder nicht – Haftungsbeträge nach § 81e GWB bzw. Unternehmensgeldbußen gemäß § 81 Abs. 3a GWB 2017 (heute § 81a Abs. 1 GWB) festgesetzt.
Andreas Mundt: „Die mit der GWB-Novelle 2017 eingeführten Befugnisse zur Festsetzung von Unternehmensgeldbußen und Haftungsbeträgen haben sich als wirksames Mittel erwiesen, um die Vermeidung von Geldbußen durch geschickte Umstrukturierung von Unternehmen zu verhindern. Die sogenannte Wurstlücke ist damit endgültig geschlossen worden.
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Im Verfahrenskomplex HKM wurden die Unternehmen BeMo, Eiffage, Fenne, IHT, Maas, Mainka und Rostek & Pesch wegen ihrer Beteiligung an Absprachen bebußt. Im Verfahrenskomplex TK wurden Geldbußen gegen die Unternehmen Echterhoff, Eiffage, Fenne, Gehrken, Maas, Möllmann und T&M festgesetzt. Im Verfahrenskomplex DEW ergingen Geldbußen gegen die Unternehmen Fenne, Karger, Korte und Maas (vgl. zu den Einzelheiten die Fallberichte zu den drei Verfahrenskomplexen unten).
Die Bußgeld- und Haftungsbescheide sind allesamt rechtskräftig. Mit Ausnahme der Unternehmen Mainka und Rostek & Pesch haben alle bebußten Unternehmen im Laufe des Verfahrens kooperiert und das Kronzeugenprogramm in Anspruch genommen. Mit Ausnahme von Fenne haben zudem alle Unternehmen einer einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (Settlement) zugestimmt. Fenne hat dagegen im Verfahrenskomplex HKM nur teilweise einer einvernehmlichen Beendigung zugestimmt.
Auf die vom Bundeskartellamt sanktionierten Verstöße war die Strafrechtsnorm des § 298 StGB (Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen) nicht anwendbar. Zwar erfasst die Strafvorschrift nicht nur Ausschreibungen der öffentlichen Hand, Ausschreibungen Privater fallen aber nur dann unter § 298 StGB, wenn sie die wesentlichen Vergabegrundsätze des öffentlichen Vergaberechts einhalten, was hier nicht der Fall war.