Bundeskartellamt sieht aktuell keinen Spielraum für eine gemeinsame Fernsehvermarktung von RTL und RTL2

18.12.2024

Über die vergangenen anderthalb Jahre hat das Bundeskartellamt den Vorschlag von RTL intensiv geprüft, die Vermarktung von TV-Werbeflächen von RTL2 zu übernehmen. Im Ergebnis hat es den Unternehmen mitgeteilt, dass es hierfür aktuell keinen Spielraum sieht.

Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: Die Realitäten in der Medienwelt sind in Bewegung. Deshalb haben wir uns ganz genau angeschaut, ob es angesichts der sich ändernden Sehgewohnheiten hinnehmbar sein könnte, dass RTL und RTL2 bei der Werbevermarktung zusammenarbeiten. Dafür haben wir den Markt im engen Austausch mit den Beteiligten in mehreren Runden eingehend befragt. Dabei hat sich gezeigt, dass das lineare Fernsehen beim Bewegtbild-Werbeflächenangebot nach wie vor sehr stark ist. Neue Player wie Netflix, Amazon Prime oder Disney stoßen zwar in diesen Bereich vor, erreichen aber bislang nicht das Gewicht, dass die dort platzierte Werbung einen nachhaltigen Druck auf die Platzierung von Werbung im linearen Fernsehen ausübt. RTL2 ist aktuell immer noch eine wichtige Ausweichalternative gegenüber den beiden führenden Anbietern RTL und ProSiebenSat.1. Eine Vermarktungskooperation würde zu klaren Nachteilen für den Wettbewerb und sehr wahrscheinlich höheren Preisen für die Werbekunden führen.

RTL hatte im Sommer 2023 erstmals beim Bundeskartellamt um eine Einschätzung des Kooperationsvorhabens gebeten. Nach breiten Ermittlungen und einer ersten kritischen Rückmeldung im Oktober 2023 haben die Beteiligten mitgeteilt, an dem Vorhaben festhalten zu wollen. Es folgten weitere Ermittlungen, auf deren Basis der kritische Befund im Frühjahr 2024 bestätigt wurde. Hierauf haben die Parteien ihr Kooperationsvorhaben modifiziert. Nach ergänzenden Ermittlungen hat das Bundeskartellamt den Parteien nun mitgeteilt, dass die negative Einschätzung trotz der Modifikationen fortbesteht.

Als Vermarktungskooperation zwischen engen Wettbewerbern mit erheblicher Marktbedeutung dürfte das Vorhaben von RTL und RTL2 insbesondere zu höheren Preisen für die Marktgegenseite führen. Diesem klaren Nachteil für den Wettbewerb stehen nach den Ermittlungen keine durchgreifenden Vorteile wie etwa Kosteneinsparungen bei der Marktgegenseite gegenüber, die eine Freistellung des Vorhabens vom Kartellverbot rechtfertigen könnten.

Bei dieser Bewertung hat das Bundeskartellamt den derzeitigen Umbruch im Medienbereich hin zur Nutzung digitaler Medien umfassend berücksichtigt. Die dort zur Verfügung stehenden Video-Werbeflächen sind indes nur in begrenztem Umfang mit der Wirkung von Fernsehwerbeflächen vergleichbar. Größere Vergleichbarkeit besteht bei Video-Werbung auf Streaming-Angeboten wie Amazon, Netflix und Disney, deren Angebot derzeit aber in erster Linie bezahlpflichtig und nur ergänzend werbefinanziert ist. Die einschlägigen Werbeangebote haben nach dem Ergebnis der Ermittlungen entsprechend jeweils noch kein so erhebliches Marktgewicht, dass sie in naher Zukunft die starke Stellung der RTL-Gruppe im Bereich der Bewegtbildwerbung nachhaltig in Frage stellen. Bei den vielschichtigen Angeboten auf YouTube kommt es auf das konkrete Werbeangebot an. Regelmäßig wird diesen eher keine vergleichbare Wirkung zugeschrieben. Jedenfalls Videowerbung auf Social Media erfüllt ganz andere Zwecke.

Zur Feststellung der Gegebenheiten für die Beurteilung des Vorhabens hat das Bundeskartellamt ausführliche Ermittlungen durchgeführt. Insofern hat es im Herbst 2023 alle wesentlichen Mediaagenturen und 30 große Werbetreibende schriftlich befragt sowie im Frühjahr 2024 umfangreiche Gespräche mit den fünf größten Mediaagenturen und allen potentiell relevanten Wettbewerbern im TV- und im Online-Bereich geführt. Auch zu dem modifizierten Vorhaben hat es den Markt 2024 noch einmal im Rahmen von Gesprächen befragt.

RTL gehört zum Bertelsmann-Konzern, der mit der Ad Alliance auch über den TV-Bereich hinaus ein starker Werbeflächenanbieter ist. RTL2 ist – anders als es der Name vermuten lassen würde – kein Tochterunternehmen von RTL bzw. Bertelsmann, sondern ein Gemeinschaftsunternehmen von RTL zusammen mit anderen Gesellschaftern aus dem Medienbereich. Das bedeutet, dass Vereinbarungen von RTL und RTL2 gegen das Kartellverbot verstoßen können.

Parallel zu dem Kooperationsvorhaben von RTL und RTL2 im Bereich der Werbeflächenvermarktung hat das Bundeskartellamt im Sommer 2024 das Fusionsvorhaben von RTL und Paramount geprüft, wonach RTL das lineare Kinderfernsehangebot Nickelodeon in Deutschland hätte übernehmen sollen. Auch dort hat das Bundeskartellamt seinen Blick bereits über das lineare TV hinaus geöffnet. Nachdem das Bundeskartellamt RTL und Paramount mitgeteilt hatte, dass es beabsichtige, den geplanten Zusammenschluss aufgrund der konkreten Situation im Kinderbereich zu untersagen, wurde die entsprechende Anmeldung zurückgenommen (siehe Pressemitteilung vom 17. September 2024).