Jahresrückblick 2024
19.12.2024
Das Bundeskartellamt im Jahr 2024:
- rund 19,4 Mio. Euro Bußgelder wegen verbotener Kartellabsprachen verhängt
- Verfahren gegen Amazon, Apple, Alphabet/Google, Meta/Facebook und Microsoft
- rund 900 Zusammenschlüsse von Unternehmen geprüft
- Sektoruntersuchung E-Ladesäulen abgeschlossen – im Mineralölbereich kurz vor dem Abschluss
- rund 115 Nachprüfungsanträge in Vergabesachen bearbeitet
- täglich rund 1.100 Abfragen im Wettbewerbsregister, 7.700 neue Eintragungen
Missbrauchsaufsicht bei Energie und in Schlüsselsektoren
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die Wirtschaft geht durch schwierige Zeiten. Umso wichtiger ist der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher und des fairen Wettbewerbs durch die kartellbehördliche Missbrauchsaufsicht. Ein Beispiel dafür sind unsere Verfahren gegen mehrere Fernwärmeversorger, in denen wir prüfen, ob die Preise angemessen waren oder ob die Verbraucherinnen und Verbraucher zu viel gezahlt haben. Auch im Lebensmittelsektor kontrollieren wir sowohl bei Händlern als auch bei großen Herstellern, ob die Unternehmen ihre Marktmacht in verbotener Weise ausgenutzt haben. Ganz aktuell beschäftigen uns auch die extremen Ausschläge bei den Strompreisen während der Dunkelflaute
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Missbrauchsverfahren führt das Bundeskartellamt u. a. im Lebensmittelbereich gegen Coca-Cola zur Prüfung der Konditionen insbes. der Rabattgestaltung gegenüber dem Lebensmitteleinzelhandel (s. Pressemitteilung vom 14. November 2023) sowie gegen EDEKA wegen erhobenen Forderungen in Verbindung mit der Einführung des Payback-Systems. Im Bereich der Fernwärme laufen in mehreren Fällen Prüfungen gegen Versorger zu den sogenannten Preisanpassungsklauseln (s. Pressemitteilung vom 16. November 2023). Im Strommarkt ist es eine Aufgabe des Bundeskartellamtes, die Preisbildung und die Kraftwerksleistungen fortlaufend zu monitoren. Die aktuellen Preisspitzen können ein normales und unverfälschtes Marktergebnis sein. Das Bundeskartellamt wird sich die Preisbildung während der Dunkelflaute aber sehr genau ansehen (s. auch Pressemitteilung zum Marktmachtbericht vom 25. November 2024 und Pressemitteilung zum Monitoringbericht vom 27. November 2024).
Kartellverfolgung
Das Bundeskartellamt hat 2024 Geldbußen in Höhe von insgesamt rund 19,4 Mio. Euro gegen drei Unternehmen und eine natürliche Person verhängt. Betroffene Sektoren waren Schutzkleidung, Breitbandgeräte und Bauleistungen.
Andreas Mundt: „Seit 2019 haben wir trotz zwischenzeitlicher Corona-Delle Bußgelder in einer Gesamthöhe von ca. 1,3 Mrd. Euro verhängt. Mehrere große Kartellverfahren laufen und die Zahl der Durchsuchungen bleibt auf hohem Stand. Wir haben viele Kronzeugenanträge, erhalten immer mehr wertvolle Informationen über unsere Hinweisgebersysteme und nutzen Software-gestütztes Markt-Screening, um Hinweise auf Absprachen zu finden. Um die Aufdeckung weiter zu effektivieren, wollen wir perspektivisch mehr KI einsetzen. Kein Kartell kann sich sicher fühlen.
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Im Jahr 2024 hat das Amt insgesamt elf Durchsuchungsaktionen durchgeführt, davon drei im Wege der Amtshilfe. 17 Unternehmen haben dem Amt über Kronzeugenanträge neue Informationen über Verstöße in ihrer Branche mitgeteilt. Daneben erreichten das Amt viele weitere Hinweise aus anderen Quellen. Inzwischen geht die überwiegende Zahl der aktuell geführten Kartellbußgeldverfahren auf Quellen zurück, die außerhalb des Kronzeugenprogramms liegen. Dazu zählt auch die Meldestelle nach dem Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG), die das Amt seit Juli 2023 betreibt und einen besonders hohen Schutz der Informantinnen und Informanten gewährleistet.
Digitalwirtschaft
Andreas Mundt: „Die Digitalwirtschaft bleibt ganz oben auf unserer Agenda. Wir haben unser Facebook-Verfahren abgeschlossen, das weit über Deutschland hinaus als bahnbrechend gilt. Der BGH hat die erste grundlegende Entscheidung in einem Verfahren der erweiterten Missbrauchsaufsicht über Digitalkonzerne gefällt und uns in Sachen Amazon vollauf bestätigt. Viele weitere Verfahren gegen Big Tech laufen. Eines der aktuell bestimmenden Themen ist KI. Sie birgt enormes Potenzial, aber auch Risiken für den Wettbewerb. Big Tech besetzt fast alle Bereiche der Wertschöpfungskette von den Daten über die Cloud als KI-Infrastruktur bis zu den eigenen LLMs. Daher nehmen wir drohende neue Abhängigkeiten und die mögliche Potenzierung bestehender Wettbewerbsprobleme verstärkt in den Blick
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Im Jahr 2024 konnte das Bundeskartellamt sein seit Jahren vor Gericht anhängiges Verfahren gegen Meta (vormals Facebook) abschließen. Ergebnis ist ein Gesamtpaket von Maßnahmen, das den Nutzenden des sozialen Netzwerkes Facebook deutlich verbesserte Wahlmöglichkeiten hinsichtlich der Verknüpfung ihrer Daten einräumt (s. Pressemitteilung vom 10. Oktober 2024).
Im Rahmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht gegen große Digitalkonzerne hat das Bundeskartellamt in den vergangenen Jahren Verfahren zum Teil bereits abgeschlossen bzw. laufende Verfahren weiter vorangetrieben (Liste der Verfahren nach § 19a GWB). Im vergangenen Jahr wurde festgestellt, dass auch Microsoft ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung ist und daher der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB unterfällt. Der Beschluss ist rechtskräftig, wie schon zuvor bei Meta/Facebook, Google/Alphabet und Amazon (letzterer in 2024 bestätigt durch den BGH). In Sachen Apple ist diese Feststellung beim BGH noch anhängig. Auf Basis der Vorschrift des § 19a GWB kann das Bundeskartellamt Unternehmen, die solche Machtstellungen innehaben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.
Fusionskontrolle
Das Bundeskartellamt hat 2024 rund 900 Fusionen geprüft. Zehn Zusammenschlüsse wurden in der sogenannten zweiten Phase (Hauptprüfverfahren) vertieft geprüft. Die Übernahme des Universitätsklinikums Mannheim durch das Universitätsklinikum Heidelberg wurde untersagt (s. Pressemitteilung vom 26. Juli 2024). Vier Vorhaben wurden zurückgenommen, drei Vorhaben wurden freigegeben, zwei Verfahren laufen noch.
Andreas Mundt: „Dieser Tage nimmt die neue EU-Kommission in Brüssel ihre Arbeit auf. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf Wettbewerbsfähigkeit. Ein wesentlicher Treiber internationaler Wettbewerbsfähigkeit ist eine stringente Wettbewerbspolitik. Wir brauchen europäische Champions, international starke Unternehmen. Diese Champions sind dann erfolgreich, wenn sie sich im Wettbewerb durchsetzen. Daher brauchen wir ein starkes Wettbewerbsrecht. Die Fusionskontrolle ist und bleibt hierfür unser wichtigstes Instrument. Nur so können wir Marktmacht präventiv unterbinden, statt mühsam nachträglich das Verhalten der Unternehmen zu kontrollieren. Dies gilt gerade auch bei Übernahmen innovativer KI-Startups
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Im Zusammenhang mit dem Schutz des Innovationswettbewerbs und der Kontrolle von „Killeracquisitions“ hat die sogenannte Transaktionswertschwelle im deutschen Wettbewerbsgesetz eine zunehmende Bedeutung erlangt. Dadurch können wichtige Vorhaben geprüft werden, die zwar nicht die gesetzlichen Umsatzschwellen der Fusionskontrolle erfüllen, aber bei denen für Zielunternehmen ein entsprechend hoher Kaufpreis gezahlt wird (wie die Zusammenschlüsse von Thermo Fisher/Olink – s. Pressemitteilung vom 17. Juni 2024 – oder die laufende Prüfung zu Edwards Lifesciences/JenaValve).
Energiepreisbremsen-Missbrauchsaufsicht
Im Bereich Preisbremsen-Missbrauchsaufsicht hat das Bundeskartellamt 2024 weitere 13 Prüfverfahren gegen Energielieferanten eingeleitet. Von den damit insgesamt seit Mai 2023 eingeleiteten 70 Prüfverfahren entfallen 33 auf den Erdgas-, 17 auf den Wärme- und 20 auf den Elektrizitätsbereich. 13 Verfahren wurden zwischenzeitlich aus unterschiedlichen Gründen eingestellt.
Andreas Mundt: „Der Staat hat viele Milliarden für die Energiepreisbremsen ausgegeben. Mit der Missbrauchsaufsicht stellen wir sicher, dass Unternehmen Entlastungsbeträge nicht zu Unrecht einfordern. Damit schützen wir die Staatskasse und die Steuerzahler und -zahlerinnen. Die Preisbremsengesetze geben den Unternehmen noch bis spätestens 31. Mai 2025 Zeit, die Vorauszahlungen gegenüber den abwickelnden Stellen abzurechnen. Wir rechnen derzeit damit, dass wir ab Sommer 2025 über eine ausreichend verbindliche Datenlage verfügen, um die letzten abschließenden Bewertungen vornehmen zu können
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Wettbewerbsregister
Das Wettbewerbsregister ist das erste große, volldigitale Register der öffentlichen Verwaltung und seit zweieinhalb Jahren in vollem Betrieb. Über ein Web-Portal erfolgen im Schnitt pro Tag 1.100 Abfragen von öffentlichen Auftraggebern, die prüfen, ob ein Unternehmen wegen begangener Wirtschaftsdelikte von einem öffentlichen Vergabeverfahren auszuschließen ist.
Andreas Mundt: „Das Wettbewerbsregister hat sich als effizientes Informationssystem für Auftraggeber etabliert. Das zeigt die konstant hohe Zahl an Abfragen. Das Register trägt so zu einer guten Informationslage bei den Auftraggebern bei und setzt gleichzeitig Anreize für Unternehmen, ihre Anstrengungen im Compliance-Bereich zu verstärken
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Im Zuge der Abfragen von öffentlichen Auftraggebern kommt es im Schnitt zu mehreren positiven Treffern pro Woche. Insgesamt sind seit Launch rund 19.000 Eintragungen zu Unternehmen im Register erfolgt (etwa wegen Steuerdelikten, der Verkürzung von Sozialabgaben oder Kartellverstößen).