Auch Microsoft unterliegt erweiterter Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB – Bundeskartellamt stellt überragende marktübergreifende Bedeutung fest
30.09.2024
Das Bundeskartellamt hat festgestellt, dass die Microsoft Corporation, Redmond, USA, ein Unternehmen mit überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb ist. Damit unterfällt Microsoft gemeinsam mit seinen Tochterunternehmen der erweiterten Missbrauchsaufsicht des § 19a GWB (Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen). Auf Basis dieser Vorschrift kann das Bundeskartellamt Unternehmen, die solche Machtstellungen innehaben, wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.
Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes: „Die vielen Produkte von Microsoft sind in Unternehmen, Behörden und Privathaushalten allgegenwärtig und nicht wegzudenken. Historischer Ausgangspunkt des Unternehmens ist das Betriebssystem Windows, mit dem Microsoft seit vielen Jahren eine beherrschende Stellung einnimmt. Dazu kommen die Office-Anwendungen und weitere vielfältig miteinander verbundene Software-Angebote. Das Ökosystem Microsoft ist heute verwobener und stärker als je zuvor, denn über alle Bereiche wölben sich zunehmend Cloud und Künstliche Intelligenz, Schlüsseltechnologien, in denen Microsoft durch eigene Entwicklungen und durch Kooperationen seine starke Position untermauert hat.“
Kern des von Microsoft geschaffenen digitalen Ökosystems ist das umfassende marktübergreifende Portfolio an vielfältig miteinander verbundenen Angeboten insbesondere für Unternehmenskunden, das große Teile deren Bedarfs abdeckt und viele Produkte enthält, die seit Jahren den weltweiten Marktstandard bilden. Mit dem Betriebssystem Windows beherrscht Microsoft seit vielen Jahren den Markt für PC-Betriebssysteme. Weitere sehr starke Marktstellungen bestehen bei Server-Betriebssystemen (Windows Server) und bei der Produktivitätssoftware (Office-Produkte, Microsoft 365). Microsofts Angebot war zunächst zugeschnitten auf eine Infrastruktur aus PCs und Servern, verlagert sich seit einigen Jahren jedoch zunehmend in die Cloud, wo Microsoft mit Azure neben Amazon Web Services (AWS) eine führende Rolle einnimmt.
Microsoft hat sein Angebot durch Zukäufe, Eigenentwicklungen und die Erweiterung seiner etablierten Kernprodukte um neue Funktionalitäten kontinuierlich vergrößert. Dabei profitiert das Unternehmen von der durch die Einbindung von Drittangeboten weiter gesteigerten Attraktivität seines grundsätzlich offenen Systems. Es behält aufgrund der sortimentsartigen Bündelung komplementärer Angebote aber einen erheblichen Vorteil gegenüber Wettbewerbern, die nur auf einzelnen Teilmärkten tätig sind. Hinzu kommt die übergreifende technische Verzahnung der Produkte aus dem Microsoft-Ökosystem.
Microsoft gelingt es immer wieder, ausgehend von seiner etablierten starken Stellung, nicht nur in neue Märkte hineinzuwachsen, sondern dort auch in kurzer Zeit starke Marktpositionen aufzubauen. Ein Beispiel hierfür ist der Erfolg von Teams, einer Software für Videokonferenzen und zum gemeinsamen Arbeiten. Microsoft hat sich daneben weitere Geschäftsfelder wie Gaming (Xbox) und Berufsnetzwerke (LinkedIn) erschlossen, dort eine starke Stellung erlangt und dabei als eines der weltweit wertvollsten Unternehmen von seiner Finanzkraft und seinem Zugang zu sonstigen Ressourcen profitiert.
Die führende Position Microsofts setzt sich bei Künstlicher Intelligenz fort. Bei Microsoft hält in weiten Teilen des Ökosystems der KI-Assistent Copilot Einzug. Durch seine starke Stellung im Cloud-Bereich ist Microsoft zudem in der Lage, Partnerschaften mit hochinnovativen Anbietern einzugehen, ihre KI-Modelle als Dienste auf Azure anzubieten und in die eigenen Produkte zu integrieren. So kooperiert Microsoft etwa mit OpenAI, dem Unternehmen hinter dem KI-Programm ChatGPT (siehe Pressemitteilung des Amtes vom 15. November 2023).
Microsoft-Produkte bilden heute in zentralen Anwendungsfeldern den Standard für Wirtschaft, Verwaltung und Privatnutzerinnen und -nutzer in Deutschland, Europa und darüber hinaus. Microsoft stellt regelmäßig wesentliche Teile der IT-Infrastruktur von Unternehmen, welche dann die Grundlage auch für andere Anwendungen im Bereich der Unternehmenssoftware sind. Für Software-Entwickler in diesen Bereichen hat dies zur Folge, dass sie für den Erfolg ihrer Produkte auf eine bestmögliche Kompatibilität mit dem Microsoft-Ökosystem angewiesen sind und ihre Entwicklungen an den von Microsoft gesetzten Rahmenbedingungen ausrichten müssen. Dabei nimmt Microsoft vielfach eine Doppelrolle ein, da das Unternehmen nicht nur den Rahmen für Drittentwickler setzt, sondern zugleich als deren Wettbewerber auftritt.
Andreas Mundt: „Unsere Entscheidung gilt für Microsoft insgesamt, nicht nur für einzelne Dienste oder Produkte. Gleichzeitig unterfällt Microsoft in der EU als Gatekeeper dem Digital Markets Act. Die daraus resultierende Regulierung, die von der EU-Kommission durchgesetzt wird, gilt aber derzeit nur für das Betriebssystem Windows und das Netzwerk LinkedIn. Wir können auf Grundlage unserer Entscheidung wettbewerbsgefährdende Praktiken dort unterbinden, wo der DMA nicht greift.“
Die Entscheidung des Bundeskartellamtes ist gemäß den gesetzlichen Vorgaben auf fünf Jahre befristet. Innerhalb dieses Zeitraums unterliegt Microsoft in Deutschland der besonderen Missbrauchsaufsicht durch das Bundeskartellamt nach § 19a Abs. 2 GWB. Über die Einleitung möglicher Verfahren zur Untersuchung konkreter Verhaltensweisen Microsofts ist noch nicht entschieden worden.
Zu seiner Entscheidung wird das Bundeskartellamt zeitnah einen Fallbericht veröffentlichen.
Hintergrund
Im Januar 2021 ist die 10. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in Kraft getreten (GWB-Digitalisierungsgesetz). Eine zentrale neue Vorschrift (§ 19a GWB) erlaubt dem Bundeskartellamt ein frühzeitiges und effektiveres Eingreifen, insbesondere gegen Verhaltensweisen großer Digitalkonzerne. Vor dem jetzt abgeschlossenen Verfahren gegen Microsoft hat das Amt eine überragende marktübergreifende Bedeutung bereits bei Alphabet/Google, bei Meta/Facebook, bei Amazon und bei Apple festgestellt (vgl. Pressemitteilungen vom 5. Januar 2022, vom 4. Mai 2022, vom 6. Juli 2022 sowie vom 5. April 2023). In den Fällen von Alphabet, Meta und Amazon ist die Entscheidung bereits rechtskräftig. Im Falle von Apple ist eine Beschwerde beim Bundesgerichtshof anhängig. Daneben ist das Bundeskartellamt in verschiedenen Verfahren gegen konkrete Verhaltensweisen der Unternehmen vorgegangen oder hat diese eingeleitet. Eine Übersicht über die laufenden und abgeschlossenen Verfahren auf Basis des § 19a GWB findet sich hier.